Mein Schwimmbericht

Dies ist mein Bericht zum Kanalschwimmen vom 31.7.16 der Staffel Eisschwimmen.com . Ich gebe hier persönliche Erlebnisse und Meinungen wieder.


(basierend auf den Tracking-Informationen der CSPF)

Nachdem Robert, Jaqui und ich schon eine Woche in Dover auf der Lauer lagen, fast jeden Tag am Dover Beach zur Probe schwammen, kam am 30.7. endlich der erlösende Anruf: Morgen 7:30 Uhr am Boot eintreffen, dann geht’s los.

Also los…bloß nicht ZU aufgeregt sein. Erstmal die Schwimmsachen einpacken: Badekappen, Badehosen, Schwimmbrillen und Handtücher, Ohrstöpsel. Erledigt…in mehrfacher Ausführung. Zusatzausrüstung + Nahrung: Melkfett + Einmalhandschuhe, Leuchtstäbchen + Strippe, Bananen, Nüsse, Fitnessriegel, Eistee, Cola. Erledigt! und GANZ WICHTIG: viele Klamotten gegen Nässe und Kälte und Personalausweis. Alles in den großen Rollkoffer einpacken, Klappe zu, Reißverschluss, fertig!

Was nun? An Schlafen ist kaum zu denken, muss aber sein. Wecker auf 5 Uhr einstellen. Schnell noch auf facebook, Twitter usw. Bescheid sagen, dass es morgen früh los geht und dann Decke über den Kopf ziehen. Verdammt, der Wecker klingelt! OK, tatsächlich 5 Stunden Schlaf abbekommen. Toll! Nochmal umdrehen…der Wecker klingelt sowieso gleich wieder, und außerdem ist da ja auch noch der zweite Wecker. 5:30 Uhr: Wecker abstellen und tatsächlich unter der warmen Bettdecke rausrutschen. Sachen an, Teewasser warm machen, Joghurt und Müsli mixen, frühstücken. Gaaanz ruhig!

Nochmal Kontrolle, ob alles eingepackt ist…was soll’s, wird schon stimmen, ist ja nicht unser erstes Freiwasser-, Langstrecken- oder Stundenschwimmen. Auf dem Weg zum Hafen macht sich die Verdauung bemerkbar. Nächstes dringendes Ziel: Boot (Sea Satin) und Kapitän (Lance Oram) suchen und den Türcode für’s WC abfragen. Boot haben wir gefunden, aber Kapitän ist noch im Schlafanzug…naja 7:10 Uhr ist halt nicht 7:30 Uhr. Das vorzeitige Wecken lässt er uns noch den ganzen Tag spüren. Aber jetzt erstmal sanitär entspannen!

OK, der Druck ist runter, ab geht’s zurück zum…äh wo ist das Boot hin? Ach…war mal tanken. OK, Koffer auf’s Boot hiefen und verwunderte Blicke ernten. Egal, wir schwimmen und nicht du, ich weiß besser was ich brauche…und lieber zuviel als zu wenig. Die Sea Satin legt vom Liegeplatz ab und am Besuchersteg wieder an…ach, hier wäre unser Treffpunkt gewesen?!

Jetzt kommen die anderen Crew-Mitglieder (Observer Rob, Steuermann Paul, Crewman Dave) an Bord und es geht ganz langsam raus aus dem Hafen. Dabei eben mal noch den Zorn eines anderen Kapitäns auf sich ziehen, wie man solch komische Manöver fahren kann, aber das bringt Lance nicht aus der Ruhe. Es wird zurückgepöbelt. In Schottland hätten wir in dieser Situation bestimmt ein paar neue Schimpfwörter lernen können.

Wir fahren jetzt zum Startpunkt für’s Schwimmen: Abbot’s Beach. Auf dem Weg dahin werden nochmal die Regeln für den Wechsel und den Start erklärt und dann sind wir auch schon da. Vor uns sehen wir einige andere Boote, offensichtlich mit Schwimmern, die bereits gestartet sind. Im Nachhinein finden wir heraus, dass an diesem Morgen insgesamt 8 Boote starteten.

Robert springt ins Wasser und schwimmt zum Ufer. Am Strand angekommen, hebt er beide Arme. Es kann losgehen. Es wird abgewartet bis der Sekundenzeiger auf Null steht, dann ertönt das Startsignal. JETZT geht’s los! Es ist 8:19 Uhr am 31.07.2016 .

Ab jetzt heißt es für die Crew: Schwimmer im Auge behalten. Robert schwimmt an Backbord, weil er lieber rechts atmet. Als nächstes (9:19 Uhr) werde ich Robert abwechseln und, genau wie Jaqui, an Steuerbord schwimmen, weil wir lieber links atmen. Nachdem wir ein paar Minuten unterwegs sind, kommt der grimmige Lance aus der Kajüte und bringt den Treibanker aus. Dieser hilft dabei, dass das Boot langsam fahren kann, ohne ständig den Antrieb ein- und auskuppeln zu müssen und das Getriebe damit zu belasten.

Crewman Dave, der uns von Anfang an sympathisch ist, wird zum Frühstückmachen für die Crew abgeordert. Es gibt Bohnen und Tomaten usw. Typisch englisches Frühstück eben.

Ob das Frühstück tatsächlich gegessen wurde, bekomme ich nicht mehr mit, denn es ist für mich an der Zeit ins Wasser zu springen und Robert abzulösen. VERDAMMT! Ich habe vergessen auf der Sportuhr „Start“ zu drücken, und wenn sie nass ist geht das nicht mehr :-(. Das Wasser ist toll: angenehme Temperatur (17,8°C), nicht zu wellig, ziemlich salzig, die Sonne scheint. Ich habe das Gefühl, dass wir gut vorankommen. Immer schön das Boot im Auge behalten. Nach vorn blicken bringt gar nix. Da ist nur Wasser. Die französiche Küste kann allenfalls von der Flybridge der Sea Satin gesehen werden, und das auch nur als Schatten am Horizont. Auf dem Achterdeck sehe ich mal Robert, mal Jaqui. Ich erkenne, wie Jaqui an der kleinen Actioncam „verzweifelt“ 😉 und dann doch wieder ihren großen Fotoapparat rausholt. Die Abwechslung achtern legt sich bald wieder und erst als Jaqueline sich zum Schwimmen bereit macht, ist da oben wieder Bewegung.

10:19 Uhr Jaqui springt ins Wasser und ich steige über die Badeleiter wieder auf’s Deck. Handtuch hatte ich mir ja schon bereit gelegt, aber die Wechselsachen sind noch unter Deck. Das muss ich vor der nächsten Etappe optimieren!

Jaqui findet ihren Rhythmus und schwimmt, schwimmt, schwimmt. Ich behalte sie im Auge. Robert ist unter Deck und hat sich in der Spitze hingelegt. Er ist noch ein bisschen müde und verträgt das Krängen des Bootes nicht so gut…aber, das war bisher noch gar nichts, wie sich später herausstellt.

11:19 Uhr Robert springt wieder ins Wasser und Jaqui und ich stellen fest: WOW, das englische Ufer ist immer noch gut zu erkennen! Von wo sind wir gestartet? Ach da hinten!? WOW, was für eine Drift! Wir kannten zwar die Kurven, wie sie bei anderen Schwimmen geplottet wurden, aber das jetzt live zu erleben ist doch nochmal etwas ganz Anderes. Wir befinden uns inzwischen in der South-West-Shippinglane.

12:19 Uhr Meine zweite Etappe. „Start“ drücken nicht vergessen. Das Wasser ist immer noch angenehm und Zug um Zug geht’s voran. Irgendwann wird mir langweilig. Auf dem Achterdeck ist nix los, was für Abwechslung sorgen könnte. Mir fehlt meine Schwimmmusik! Und das jetzt noch mindestens dreimal? Boah, das wird langweilig (denke ich jetzt noch)! Irgendwann kommt der 5 Minuten-Pfiff und ich sehe, dass Jaqui für Ihre Etappe bereit ist.

https://connect.garmin.com/modern/activity/1282845621

13:19 Uhr Als ich von der Badeplattform auf’s Achterdeck steige, höre ich von vorn einen Schrei: Jaqui wäre vom Boot beinahe überfahren worden. Glücklicherweise hat sie sich rechtzeitig (instinktiv) umgedreht, den Bug über sich gesehen und ist ausgewichen. Jaqui hat Glück gehabt! Ich war immer noch mit Verschnaufen beschäftigt, ansonsten hätte ich vielleicht irgendwas Unüberlegtes mit dem Steuermann gemacht.

Nach einer halben Stunde höre ich plötzlich wieder Jaqui schreien. Wir fahren (und schwimmen) gerade durch einen Teppich aus Seegras und Quallen, und Jaqui hat’s im Gesicht erwischt. Plötzlich ist helle Aufregung achtern. Irgendwie müssen wir sie da durchlotsen. Glücklicherweise ist das Wasser glasklar und die lilafarbenen Viecher sind von oben gut zu erkennen. Aus der Wasserlage ist das ganz anders, da sieht man sie erst, wenn sie kurz vor einem sind. Der Versuch Jaqui hinter das Boot zu lotsen, damit es das Wasser für sie frei macht, scheitert daran, dass es einfach keinen freien Weg hinter das Boot gibt. Also ganz aufmerksam von oben beobachten und Anweisungen brüllen. Nach ein paar Minuten ist der Spuk vorbei und sie kann wieder in die Freistil-Lage wechseln. Es geht weiter.

14:19 Uhr Robert tauscht mit Jaqui und wir kontrollieren die „Quallen-Bisse“: leichte Rötungen an Armen und Gesicht, keine Schwellungen, nichts allzu Schlimmes. Es wird weiter gehen. In dieser Stunde merke ich, wie ich immer müder werde. Am liebsten würde ich mich hinlegen. Geht aber nicht, will ja meinen Start nicht verpassen! OK, Sportriegel, Getränk, fertig machen zum Schwimmen. Das Wasser wird die Müdigkeit schon heilen.

15:19 Uhr Meine dritte Schwimmstunde startet. Wieder vergessen die Sportuhr zu starten. Inzwischen ist die Sonne mehr und mehr hinter Wolken versteckt. Die Sicht ist immer noch gut, aber der Wind hat zugenommen. Wie stark der Wind in dieser Stunde tatsächlich noch zunimmt, kann ich beim Schwimmen nur erahnen. Was ich ganz deutlich merke, ist, dass das Wasser wesentlich unruhiger wird. Es gibt jetzt mehr Wellen, und zwar von der Art, die ziemlich beschi*** zu schwimmen sind: ziemlich kurze Periode, aber so hoch, dass der Arm ab und zu bei der Vorwärtsbewegung drin stecken bleibt, und man keinen vollen Armzug hinbekommt.

Es ist eine ziemlich anstrengende Schwimmstunde, aber  mir wird nicht langweilig wie zuvor. Dass die Wellenhöhe insgesamt zunimmt, wird mir auch klar, als ich mich ein paar Meter weiter vom Boot entferne und sich dann ein Wellenberg dazwischen mogeln kann und den Rumpf verdeckt. OK, aus eigener Erfahrung als Bootsfahrer weiß ich, jetzt muss die Crew noch aufmerksamer sein als zuvor, denn wenn man den Schwimmer nur alle paar Sekunden mal sieht, kann’s schnell passieren, dass man ihn komplett aus den Augen verliert. Ich bin mir sicher, dass die Crew schon häufiger in vergleichbarer Situation war und weiß, wie man sich nun sicher verhält. Dann bemerke ich, wie mir signalisiert wird, näher an das Boot heranzukommen. Alles gut! Dass ich auf dieser Etappe die Separation-Zone durchschwommen habe UND der Tidenwechsel vollzogen ist, wird mir erst bei der späteren Auswertung klar.

16:19 Uhr Ich wechsle mit Jaqui. Zunächst versucht sie an Backbord zu schwimmen, damit das Boot sie von den kurzen Wellen abschirmt, merkt aber schnell, dass es besser ist, die Seite zu wechseln und schwimmt dann wieder an Steuerbord. Ich sehe Jaqui zu wie sie durch die Wellen gleitet. Sie kommt scheinbar besser damit klar als ich. Ich gehe zu Kapitän Lance, der inzwischen (endlich) mal aus seiner Koje rausgekrochen ist, und versuche eine klare Aussage zum Wind zu bekommen, ernte aber nur irgendwelche schnöden Witzelein. Dave war da schon hilfreicher und teilt mir mit, dass der Wind inzwischen mit 17kn (4bft) weht. Da mich immer noch Müdigkeit plagt, lege ich mich auf der Flybridge auf die Bank und öffne die Augen erst als das Wechselsignal  für Robert ertönt.

17:19 Uhr Robert schwimmt jetzt in der North-East-Shipping-Lane. Die Schiffe würden jetzt von Steuerbord kommen, aber weit und breit nichts zu sehen, außer den Fähren aus/nach/von/zu Dover, Calais und Dunkirk, und die kreuzen unseren Kurs nicht. Ich ruhe mich weiter aus.

18:19 Uhr Ich springe wieder ins Wasser (Sporttracking läuft). Ich will versuchen Backbord zu schwimmen, damit mich, wie Robert auch, die Sea Satin ein wenig vor den Wellen schützt. Da ich nur links atme, sich das Boot aber rechts von mir befindet, ist es eine sehr seltsame Art und Weise zu schwimmen. Ich bin es ja gewohnt immer mal wieder nach vorn zu schauen um beim Schwimmen ein Ziel anzusteuern, aber die Kopfdrehung nach rechts gelingt mir nur bedingt gut. Anfangs kollidiere ich fast mit dem Boot, dann bin ich zu weit weg und irgendwann denke ich, habe ich den Bogen raus, da kommt vom Achterdeck das Signal von Rob (dem Swim-Observer), ich solle besser wieder nach Steuerbord wechseln, weil wir sonst so weit abdriften. Offenbar hat sich das Boot an mir orientiert und nicht umgekehrt. Als ich wieder auf meiner gewohnten Seite bin, funktioniert alles ganz gut. Auch die kurzen Wellen sind inzwischen nicht mehr da, es gibt jetzt nur noch große. Als ich nach der Stunde wieder an Bord bin, sagt mir Steuermann Paul, dass es mit mir an Steuerbord wesentlich besser lief. Das Schwimmen sah besser aus und der Kurs konnte gehalten werden.

https://connect.garmin.com/modern/activity/1282845638

19:19 Uhr Jaqui beginnt jetzt ihre vierte Schwimmstunde. Ich befinde mich unter Deck und werfe ein paar Nüsse ein. Robert liegt wieder in der Koje und hat die Augen geschlossen. Ihm macht schon seit längerem der Seegang zu schaffen. Ich schaue aus den Bullaugen und sehe wie die Wellen fast das Deck erreichen. Meine Schlussfolgerung: Wellenhöhe liegt jetzt zwischen 1 und 1,5m. Die Wellenperiode liegt bei 2-3 Sekunden. Ein Boot von der Größe der Sea Satin (36ft Dutch Steel flybridge motor cruiser) verhält sich bei diesen Bedingungen wie ein Korken auf einem Teich.


Ich bereite jetzt die Knicklichter vor, da die nächsten Schwimmetappen bei Dämmerung bzw. Dunkelheit stattfinden werden. Was gibt’s da vorzubereiten? Knicken und gut? Nee, denkste! Die mitglieferten Strippchen taugen nichts, also muss eine „richtige“ Strippe dran, aber dafür ist das Durchfädelloch zu klein. Also erst Loch vergrößern, dann versuchen Strippe durchzufädeln, klappt nicht, Loch weiter vergrößern, fädeln, anpassen, Strippe durchstopfen…. Nach dem dritten Knicklicht hab ich den Dreh raus. Jeder Schwimmer bekommt drei Knicklichter, die er/sie sich um die Hüfte bindet und die dann am Rücken für die Bootscrew sichtbar sind.

20:19 Uhr Robert geht ins Wasser. Aufgrund des Seegangs achtet der Observer jetzt nicht mehr ganz so stark auf die Einhaltung der Regeln des Wechsels. Und als Jaqui sicher auf der Badeplattform steht und der Steuermann das Boot beschleunigt, bricht plötzlich wieder Hektik aus. Dave rennt auf dem Boot von vorn nach hinten und zurück, Steuerbord, Backbord? WO ist Robert??? Gefunden! Steuerbord achtern. Da sollte er gar nicht sein! Robert gehört doch nach Backbord!

Da bei der Dämmerung die Leuchtkraft der Knicklichter noch nicht vollständig zur Geltung kommt und in dem grauen unruhigen Wasser sowieso alles schlecht zu erkennen ist, gab es ein paar Momente Unruhe. Mein längerer Aufenthalt unter Deck, für die Vorbereitung der Lichter, führte auch bei mir dazu, dass mir ein bisschen flau in der Magengegend wird. DAS hatte ich nicht erwartet! Ich dachte bisher immer ich sei seefest. Jaqueline sagt mir später, dass sie keine negativen Auswirkungen des Seegangs bei sich bermerkte. Hab ich mir wohl doch die richtige Frau geangelt 😉 .  Ich gehe zurück auf die Flybridge und lege mich auf die Seite, das hilft. Ganz langsam eine Banane runternibbeln, das beruhigt den Magen weiter.

21:19 Uhr Rob sagt mir, dass sich das Wasser jetzt wieder beruhigen wird, weil Tide und Wind jetzt in die gleiche Richtung gehen und nicht mehr gegeneinander arbeiten. Ich bermerke davon allerdings nichts. Die Wellen sind immer noch enorm hoch und das Boot tanzt darauf herum. Hilft ja alles nix! Es ist dunkel. Ich orentiere mich an den Positionslichtern und versuche immer schön mitschiffs zu bleiben. Ach guck mal, da ist die Tonne (Boje), von der Rob schon vor zwei Stunden gesprochen hat. DIE Tonne, die die Shippinglane markiert. Dachte ich, doch die NE-Shippinglane hatten wir schon längst verlassen…

Auf Seekarten ist erkennbar, dass diese Tonne ein Hindernis im Wasser markiert. Und was macht der Steuermann? Plötzlich fährt das Boot schneller. Na gut, nichts Ungewöhnliches denke ich mir, die wollen Abstand zur Tonne gewinnen, um nicht dagegen zu fahren, der wird gleich wieder langsamer und stehen bleiben, damit ich aufholen kann. DENKSTE! Jetzt macht das Boot irgendwelche seltsamen Manöver. Ich sehe weit vor mir immer nur die Positionslichter die Richtung wechseln. Also irgendwas ist komisch, denke ich mir. Haben die aus Versehen beschleunigt? Suchen die mich jetzt gerade? Aus der Entfernung und bei dem Wellengang können die meine Lichtlein am Rücken garantiert nicht sehen. Ich beschließe zur Tonne zu schwimmen. Wo war die doch gleich noch! WIESO BEWEGT SICH DIE TONNE JETZT VON MIR WEG? Kann doch gar nicht sein, so schlimm kann doch die Strömung nicht sein. Vollgas! Wieso ist die Tonne denn jetzt woanders? OH MANNO! OK, wieder beruhigen. Es ist klar, dass ich die Tonne schwimmend nicht erreiche. Könnte ich das Ufer erreichen? Wieso sind die überhaupt so rumgeirrt? Einfall: Ja klar, die sind zu nah an der Tonne vorbeigefahren und haben den Treibanker daran verheddert und versucht ihn wieder frei zu bekommen. Bin ja kein kleiner Dummer, bin ja selber Seemann! Sowas kann schonmal passieren. Doof nur, wenn man eigtlich Begleitboot eines Schwimmers ist, der irgendwie 3sm vor der französichen Küste im Wasser ist. Was tun? Die werden ihr Problem ja schnellstens lösen und mich dann finden wollen. OK, Strippe mit den Lichtern von der Hüfte abknüppern und in die Luft halten und im Kreis schwingen. Hoffentlich ist es hoch genug, dass die Lichter nicht von den Wellen verdeckt werden. Inzwischen ist es so dunkel, dass sie das sehen müssten. Außerdem sind SECHS Leute an Bord, die nach mir Ausschau halten. Als ich merke, dass die Positionsleuchten der Sea Satin wieder auf mich zufahren, lasse ich das Schwingen sein und binde mir die Strippe wieder um die Hüfte. Als das Boot wieder neben mir ist, schreie ich „What the F***?“ und bekomme als Antwort „Swim On!“ WTF?!

https://connect.garmin.com/modern/activity/1282845660

Noch 20 oder 30 sehr lange Minuten weiter geschwommen, bis mich Jaqui um 22:19 Uhr endlich ablöst. Wieder an Bord frage ich Rob, ob sich der Anker in der Tonne verfangen hatte und er bestätigte kurz. Ich frage, ob das Seil durchgeschnitten, wurde um die Verhedderung zu lösen und er bestätigte genauso kurz. Das wars! Keine Erklärung, keine Entschuldigung, kein Kommentar der Crew zu dem Vorfall! Ab jetzt zeigt die Tonne ein weiteres Hindernis an: den Treibanker der Sea Satin 😐 . Übrigens haben weder Jaqueline noch Robert etwas davon mitbekommen und waren von meinem Erlebnisbericht (nach dem Schwimmen) sehr überrascht und erschrocken. Habe ich mir doch nicht DIE richtige geangelt?

Die Wasseroberfläche wird jetzt wirklich erheblich ruhiger und wettertechnisch steht dem Erreichen der französischen Küste nichts mehr im Wege.

23:19 Uhr Robert wechselt nochmal mit Jaqui. Robert schwimmt und schwimmt ohne zu wissen, wie weit es noch bis zum Ufer ist. Es sind vereinzelt Straßenlaternen oder beleuchtete Fenster sichtbar, aber ansonsten ist alles duster. Dave erklärt mir noch, welche Lichter an der Küste zu welchem Ort gehören und dass der Strand an dem wir ankommen werden, ein sehr schöner Sandstrand sei. Ich mache mich bereits fertig für meine nächste Etappe, da hält das Boot an, die Crew kommt raus, hält eine Taschenlampe aufs Ufer und schreit Robert an: „Swim to the light!“ Er guckt ein wenig fragend und tut dann wie ihm geheißen. Ich hole auch eine Lampe raus und leuchte in die gleiche Richtung. Ich sehe wie die drei Knicklichter sich immer weiter vom Boot entfernen. Robert sagte später, dass er das Licht am Ufer sehr gut erkennen konnte, weil es von einem hellen Bogen reflektiert wurde, den er ansteuern konnte. Dann bewegten sich die Knicklichter in der Ferne anders. Irgendwie! Es sieht aus, als würde Robert laufen, aber ich konnte nur den grünen Schimmer erkennen. Dann ertönt das Schiffshorn. GESCHAFFT! Es ist 0:14 Uhr (1:14 Uhr Ortszeit) am 01.08.2016. Das Team Eisschwimmen.com hat den Ärmelkanal überquert.

Als Robert zurück an Bord steigt, hat er ’ne Grinsespange im Gesicht. Alle Crewmitglieder gratulieren uns zur erfolgreichen Überquerung.

Jetzt geht alles sehr schnell: der Kapitän hängt das Dinghi wieder an die Davits und es wird Kurs auf Dover genommen. Diesmal direkt. Tidenströmung spielt bei 7kn keine große Rolle. Die Crew entspannt sich in der Kajüte, Robert haut sich wieder in der Spitze auf’s Ohr, ich habe mir wieder die Flybridge ausgesucht. Gegen 2:00 Uhr kommt Jaqui nach oben und fragt was los sei, wieso wir so schnell fahren, ob wir’s geschafft hätten? SIE HAT das Ende VERSCHLAFEN! 😀 OH MANNOMANN!

Um 3:15 Uhr legt die Sea Satin wieder am Besuchersteg im Sportboothafen von Dover an. Wir packen unsere Sachen ein und verlassen das Boot. Wir trotten still durch die Stadt. In der Unterkunft angekommen, wird nur noch schnell das Salzwasser abgeduscht und dann ab in die Koje. Vor 10 Uhr wachen wir nicht auf. Langsam, gaaanz langsam, stehen wir auf. Dann ein bisschen Frühstück. Dann gehen wir nochmal runter zum Strand, einfach nochmal einen Blick rüber werfen. DA sind wir hingeschwommen 🙂 . Inzwischen können wir es sogar realisieren. Unten am Strand trainiert gerade eine Jugendgruppe und wir können ihnen schon mal ein bisschen von unserem Schwimmen erzählen. DAS ist ein tolles Gefühl!